„Dann … können wir heute bereits etwas ganz Besonderes tun. Wir werden heute mit Sephora fliegen“, verkündete Idis feierlich.
„Mit Sephora fliegen?“, fragte Lena und ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen.
„Ja, sie hat bereits so große Flügel bekommen, dass sie nicht mehr im Keller wohnen kann. Sie ist wirklich groß geworden und wir fliegen mit ihr zum Tal der großen Vögel, wo sie mit den anderen großen Vögeln leben kann, bis … naja, das erzähle ich dir dann“, sagte Idis und schlug vor, „Lass uns jetzt zu Sephora hinunter gehen und sie auf den gemeinsamen Flug vorbereiten!“
Die beiden Frauen und Papili machten sich auf nach unten und da stand sie, Sephora, hell leuchtend und mit großen bunten schimmernden Flügeln. Auch ihre Schwanzfedern waren wieder etwas gewachsen. Sephora musste sich recht eng zusammenkauern, um überhaupt noch in das Kellergeschoss hineinzupassen. Aber Idis beruhigte sie, „Gleich, Sephora. Gleich geht es los und wir fliegen ins Tal der großen Vögel, wo du eine ganze Menge Gleichgesinnter kennenlernen wirst!“
Sephoras Augen leuchteten vor Freude auf und sie wurde nun etwas unruhig, da sie es kaum mehr erwarten konnte, aus ihrem engen Keller herauszukommen.
„Wie kommt Sephora eigentlich aus dem Keller heraus?“, wollte Lena wissen.
„Nun, ja, das wird nicht ganz so leicht“, gab Idis zurück, „Denn normalerweise haben wir nicht so große Vögel hier unten. Aber es gibt eine Möglichkeit, und zwar durch dich, Lena.“
„Was muss ich tun?“, erkundigte sich Lena neugierig.
„Nun, du weißt ja bereits, wie du in die Lichtverbindung gehst“, erklärte Idis.
„Ja?“, sagte Lena.
„Und das kannst du jetzt tun. Du gehst in die Herzverbindung und dann in die Lichtverbindung mit Sephora. Stell dir vor, dass du Sephora direkt in dein Herz nimmst und sie dort behältst, während du die Treppe hinauf nach oben läufst. Sobald wir dann vor dem Waldhaus sind, kannst du sie wieder freigeben. Das wird mehr als genug für den Anfang sein, denn Sephora ist ein so großes starkes Potenzial, dass du sie nicht lange in deinem Herzen halten können wirst! Du müsstest aber bereits so stark sein, dass wir es bis oben schaffen!“, erklärte Idis ermutigend.
„Denke daran, dass du ausschließlich in deinem Herzen bleibst, während du sie darin nach oben trägst. Jede Ablenkung durch fliegende oder andere Klabuwees wird Sephora augenblicklich aus deinem Herzen hinausdrängen und sie wird im Keller eingeschlossen bleiben!“
„Gut“, sagte Lena etwas unsicher, „Ich hoffe, dass ich das schaffen werde.“ Sie schaute Sephora an, wie diese groß, schimmernd und erhaben vor ihr stand, mit ausgestreckten Flügeln und ihrem stolzen, gebogenen Hals.
Doch dann kamen Lena Zweifel, ob sie dies wirklich schaffen würde. Sephora war so groß und erhaben und Lena hatte doch ein so kleines Herz, wie sie glaubte.
„Ob das überhaupt funktioniert? Wie hatte Idis gesagt? Ausschließlich die Konzentration auf mein Herz. Keine Klabuwees, nur im Herzen bleiben …“ Lena schluckte. Sie fürchtete sich.
„Das schaffe ich nicht“, sagte sie dann zu Idis.
„Es ist deine Entscheidung“, sagte Idis. „Aber wenn du Sephora hier im Keller lässt, werden ihre Federn nach und nach abbrechen und verkümmern, ihre Augen werden matt und fahl und sie wird krank werden. Willst du das denn?“
Lena spürte den Druck der Verantwortung immer stärker werden. „Aber ist es denn nur mir selbst möglich, Sephora nach draußen zu bringen?“
„Ja, allein dir, Lena. Es ist dein Potenzial.“ Idis schaute nun sehr bestimmt.
„Ich weiß nicht. Was ist, wenn ich es nicht schaffe?“, erwiderte Lena nun noch zweifelnder.
„Hm, du wirst es schaffen“, sagte Idis.
„Piep!“, machte Papili. Und da erinnerte sich Lena an ihr Versprechen, dass sie Papili befreien wollte. Es war ja noch lange nicht befreit! Idis hatte gesagt, dass es erst befreit sein würde, wenn Lena ihr Potenzial auch wirklich lebte. Sephoras Reise ins Tal der großen Vögel war der nächste Schritt dorthin und diese hatte ja auch etwas mit Papilis Befreiung zu tun.
„Piep!“, machte Papili, „Bring Sephora raus, piep!“
Und Idis fügte hinzu: „Ja, es stimmt, Sephora muss aus dem Keller, nur dann kann Papili befreit werden.“
Lena überlegte noch einen Moment, bevor sie zustimmend nickte. „Gut. Ich mach’s.“
Lena stellte sich nun vor Sephora und ging dann in die Lichtverbindung. „Nur keine Klabuwees“, dachte Lena. Dann aber war sie in der Lichtverbindung und spürte, wie Sephora vom Lichtstrom ihres Herzens erfasst und hineingezogen wurde.
In diesem Moment erhellte sich das gesamte Waldhaus und die Fenster öffneten sich weit. Lena fühlte genau in diesem Augenblick, dass sie eine Wandlerin war und dieses Potenzial auch leben können würde. Für einen ganz kurzen Augenblick konnte sie auch sehen, dass Idis aus dem Waldhaus ausziehen würde und dieser eine große Zukunft bevorstand. Jedoch mit was …? „Nach oben, Lena, konzentriere dich auf dein Herz, du darfst Sephora nicht verlieren!“, unterbrach da Idis’ Ruf ihre Gedanken und Lena sagte sich, während sie die Treppe hinauflief, „Immer auf mein Herz konzentrieren.“
Aber da, was war das? Ein fliegendes Klabuwee, das plapperte “Schaffst du nicht, schaffst du nicht, dädädä!!!” Sofort verdunkelte sich das Waldhaus ein wenig.
Jedoch befahl Lena dem fliegenden Klabuwee sofort, es solle mit einer Hand in die Hände klatschen, und damit verwirrte sie das Klabuwee so sehr, dass es sich einfach auflöste. Augenblicklich erhellte sich das Waldhaus wieder und sogar noch mehr als zuvor.
Doch da war Lena bereits oben und rannte zur Tür hinaus auf die Waldlichtung und nun strömte ein dicker Lichtstrom aus ihrem Herzen und setzte den großen Vogel vor ihr auf der Waldwiese ab.
„Wow! Das war unglaublich!“, keuchte Lena.
Sephora, bunt, leuchtend, mit überaus mächtigen weiten Flügeln, wölbte ihren Hals in die Höhe und begann ganz sanft ein Lied zu singen. Da erkannte Lena, dass sie diese Melodie schon einmal irgendwo gehört hatte und ja, es war in der Villa der ewigen Wandlung gewesen. „Aber woher kennt Sephora mein Lied?“, wunderte sie sich.
„Sie hat es erfunden“, erklärte Idis, die einmal wieder Lenas Gedanken erahnt hatte.
In diesem Moment sah Lena, wie sich das Waldhaus wieder verdunkelte und sich alle Fenster wieder schlossen. „Seltsam, die Fenster waren eben geöffnet, und jetzt, sind sie wieder verschlossen“, kommentierte sie das, was sie gesehen hatte.
„Lena, ja, es lag daran, dass du Sephora in deinem Herzen getragen hast, aber du wirst es bald verstehen“, erwiderte Idis, „Und nun, lass uns aufsteigen!“
Lena, Idis und Papili stiegen auf Sephora, die gleich darauf mit wenigen kraftvollen Flügelschlägen losflog.
„Woher weiß sie, wohin sie fliegen muss?“, fragte Lena Idis über den rauschenden Wind hinweg.
„Sephora steht in Verbindung mit den anderen Vögeln dort, welche sie über die Ferne rufen, und das spürt sie“, antwortete Idis.
„Wirklich?“, fragte Lena erstaunt.
„Ja. Es sind die Vögel der anderen Frauen in Ausbildung“, lächelte Idis geheimnisvoll.
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Herzensgrüße,
Anna